Digitale Angebote kennen keine Landesgrenzen – und doch prägen Herkunft, Regulierung und Marktstrategien oft, wie und wo sich Plattformen durchsetzen. Zwischen der Schweiz und Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren ein reger Austausch entwickelt: Schweizer Apps und Plattformen finden zunehmend Nutzer in Deutschland, sei es als sichere Messenger-Alternative, innovative Ticketlösung im Nahverkehr oder als E-Commerce-Anbieter mit wachsendem Sortiment.
Schweizer Messenger als datenschutzfreundliche Alternative
Threema, entwickelt in der Schweiz, gilt als prominente sichere Alternative zu bekannten Messengern. Die App zeichnet sich durch echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aus, erfolgt über Schweizer Server und wurde mehrfach extern auditiert in den Jahren 2015, 2019 und 2020. Ende 2022/2023 wurden Verbesserungen wie automatische Perfect‑Forward‑Secrecy für Chats implementiert.
Mit mehr als 5 Millionen Nutzern (Anfang 2025) ist Threema im Vergleich zu anderen Messengern zwar klein, aber stetig präsent – insbesondere in Deutschland als Alternative bei Datenschutzbedenken. Deutschland bleibt einer der wichtigsten Märkte für Threema – bereits beim starken Nutzeranstieg 2014 stammten etwa 80 % der neuen Nutzer aus Deutschland.
Fairtiq: Digitale Ticketlösung im ÖPNV
Fairtiq, eine Schweizer ÖPNV-App, bietet seit 4. Februar 2025 einen landesweiten Rollout in Baden-Württemberg über das CiCoBW-System („Check-in-Check-out Baden-Württemberg“). Damit ermöglichen über 20.000 aktive Nutzer in BW monatlich etwa 100.000 Buchungen. Über die App ist Reisen in ganz BW – etwa von Karlsruhe bis Heidelberg – möglich, inklusive kostenoptimierter Abrechnung und grenzüberschreitenden Fahrten nach Basel oder Konstanz.
Fairtiq ist nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, Bremen, Thüringen und weiteren Regionen Deutschlands aktiv – zusätzlich zur Schweiz, Österreich und weiteren EU-Ländern. KI‑gestützte Sicherheitsmechanismen und GPS-basiertes Pricing machten Fairtiq mehrfach preisgekrönt, etwa als „Best Smart Ticketing Programme“ 2019.
Digitec Galaxus: Schweizer Onlinehandel auf Expansionskurs
Digitec Galaxus, geführt von Migros, ist das größte E-Commerce-Unternehmen der Schweiz. Im Jahr 2024 betrug der Gesamtumsatz 3,2 Milliarden CHF. Die Expansion nach Deutschland begann 2018 mit dem Launch von galaxus.de – flankiert von Logistikzentren in Krefeld und geplantem Ausbau im südbadischen Neuenburg am Rhein zwischen 2025 und 2028.
Galaxus wächst in Deutschland überproportional: 2024 stiegen die Verkäufe in der deutschen Tochter um 27 % auf rund 362 Millionen Euro, während das gesamte Unternehmen ein Wachstum von 18 % auf etwa 3,4 Milliarden Euro verzeichnete. Im selben Zeitraum belief sich die Kundschaft aus EU‑Ländern – inkl. Deutschland – auf rund 1,2 Millionen Personen. Das Sortiment umfasst aktuell rund 8 Millionen Produkte, etwa 25 % mehr als im Vorjahr. Dennoch ist Galaxus.de noch weit von marktführend in Deutschland entfernt und kämpft weiterhin mit Verlusten.
Umgekehrte Perspektive: Internationale Dienste in der Schweiz
Während Schweizer Apps und Plattformen langsam, aber stetig den deutschen Markt erschließen, zeigt sich in der Schweiz auch das umgekehrte Bild: Hier dringen internationale Digitalangebote in den Alltag vieler Nutzer. Besonders im Bereich Streaming sind US-amerikanische Plattformen wie Netflix und Disney+ führend, gefolgt von Musikdiensten wie Spotify. Diese Anbieter prägen das Unterhaltungsverhalten in der Schweiz deutlich und investieren gezielt in lokalisierte Inhalte.
Nicht zu vernachlässigen ist zudem der Bereich iGaming: Trotz der in der Schweiz geltenden Regulierung, finden im Ausland der Schweiz lizenzierte Anbieter weiterhin Wege, Schweizer Spieler zu erreichen – etwa über Offshore-Lizenzen und gezielte Werbekampagnen. Auch im Bereich soziale Medien ist die Schweiz fest im globalen Ökosystem verankert. Messenger-Dienste wie WhatsApp sind nahezu flächendeckend verbreitet, während Instagram und TikTok vor allem bei jüngeren Nutzern hohe Reichweiten erzielen.
Im E-Commerce setzen viele Schweizer Konsumenten trotz regionaler Alternativen auf internationale Plattformen wie Amazon.de oder Zalando. Selbst zusätzliche Versandkosten und längere Lieferzeiten halten viele nicht davon ab, dort zu bestellen – oft wegen des breiten Sortiments, attraktiver Preise oder exklusiver Angebote, die im Inland nicht verfügbar sind.
Im Bereich Fintech und Zahlungsdienste ergänzen internationale Anbieter wie Revolut, Wise und PayPal die lokalen Lösungen. Sie werden häufig für internationale Überweisungen, Währungsumtausch oder als alternative Zahlungsmethode im Onlinehandel eingesetzt. Diese Dienste haben den Schweizer Markt gezielt adressiert, indem sie beispielsweise lokale Zahlungsmethoden wie Twint integrieren oder Gebührenstrukturen an die dortigen Bankgewohnheiten angepasst haben.
Insgesamt zeigt sich, dass internationale Plattformen nicht einfach ihre globalen Modelle exportieren, sondern in der Schweiz bewusst Anpassungen vornehmen – sowohl bei der Sprache als auch bei Zahlungs- und Lieferoptionen. Dadurch festigen sie ihre Position in einem Markt, der trotz seiner überschaubaren Größe kaufkräftig und digital sehr aktiv ist.
Ausblick
Schweizer Digitaldienste sind 2025 keine dominanten Marktführer in Deutschland – aber sie erreichen nennenswerte Nutzergruppen durch Datenschutz, Innovation im Mobilitätssektor und gezielte Expansion. Gleichzeitig etabliert sich die Schweiz zunehmend als Konsummarkt für globale Plattformen.
Zukünftige Entwicklungen hängen von regulatorischer Harmonisierung (z. B. eIDAS 2.0), weiterer Logistikoptimierung und Awareness in Deutschland ab. Wenn schweizerische Dienste ihre Stärken – Sicherheit, Usability, Transparenz – weiter sichtbar machen, könnten sie langfristig weiter wachsen.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Threema
https://threema.com/en/why-threema
https://cyberinsider.com/secure-encrypted-messaging-apps/threema/
https://en.wikipedia.org/wiki/Threema
https://de.wikipedia.org/wiki/Fairtiq
https://www.channelpartner.de/article/3958896/so-will-galaxus-in-deutschland-weiter-wachsen.html
https://www.galaxus.de/de/page/galaxus-waechst-um-18-prozent-auf-34-milliarden-euro-36250
https://www.galaxus.ch/de/page/galaxus-legt-um-18-prozent-zu-36248
https://www.swissinfo.ch/eng/culture/movie-streaming-giants-gain-ground-in-switzerland/47869360