50 bis 70 Milliarden Euro – Diese stolze Zahl, so gibt die Europäische Kommission an, entgeht in der Europäischen Union jährlich dem Fiskus in Form von Körperschaftsteuer allein wegen Gewinnverlagerungen multinationaler Konzerne. Neben anderen lässt Lux Leaks und Panama Papers hier herzlich Grüßen.
Steuerpolitik ist grundsätzlich immer noch Sache der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dass die Umsatzsteuer harmonisiert und weitestgehend nach denselben gesetzlichen Grundlagen innerhalb der EU geregelt ist und Zölle ebenfalls einheitlich nur noch an der EU-Außengrenze erhoben werden, darf darüber nicht hinwegtäuschen. Anders als bei der Umsatzsteuer gibt es von Staat zu Staat viele „Inkompatibilitäten“, vor allem bei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften. Viel zu gerne werden Steuern als Lenkungsinstrument genutzt. Steuern durch Steuern ist ein beliebte Methode Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen und politische Ziele zu verfolgen. Solche Gestaltungsmöglichkeiten will sich kein Staat so einfach aus der Hand nehmen lassen. Daneben gibt es noch Doppelbesteuerungsabkommen, in denen die jeweiligen Vertragsstaaten regeln, wer für welche Positionen das Besteuerungsrecht hat und zusätzliche nationale gesetzliche Regelungen, welche die Thematik Gewinnverlagerung sehr unterschiedlich behandeln.
Europäisches Parlament setzt auf Transparenz
Doch wie kann man erreichen, dass diese politisch ungewollten Gewinnverlagerungen nicht durchgeführt oder wenigstens vermindert werden? Einheitliches Ertragssteuerrecht innerhalb der EU oder gar weltweit wäre zwar wünschenswert, ist aber wohl eher im Bereich utopischer Science Fiktion anzusiedeln. Das Europäische Parlament unterstützt nun eine Initiative, welche auf Transparenz setzt. Danach sollen europäische Konzerne mit einem Umsatz ab 750 Millionen Euro offenlegen, wie viele Steuern sie in den einzelnen Ländern (auch außerhalb der EU) entrichten. Nach diesem Vorschlag sollen folgende Daten in einheitlicher Form gemeldet und öffentlich zugänglich gemacht werden:
- Name des Konzern und der Tochtergesellschaften, sowie Tätigkeit und geographische Standorte
- Anzahl der Beschäftigten
- Nettoumsatzerlöse
- Kapital
- Ergebnis vor Ertragsteuern
- Steuerzahlungen in den einzelnen Steuergebieten
- Einbehaltene Gewinne
- Ob das Unternehmen, Töchter oder Zweigniederlassungen eine bevorzugte steuerliche Behandlung genießen
Ausnahmen von der Berichtspflicht sind möglich
Zum Schutz wirtschaftlich sensibler Daten soll es Mitgliedstaaten erlaubt werden Ausnahmen von der Berichtspflicht zu gewähren. Diese Ausnahmen sollen zeitlich beschränkt und ebenfalls öffentlich berichtspflichtig werden. Mit anderen Worten, verzichtet ein Konzern auf die Veröffentlichung, wird zumindest öffentlich berichtet, dass er von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch macht. Die Ausnahmen sollen an hohe Hürden gebunden sein.
Ziel ist mehr Steuertransparenz
Mit der Idee diese Informationen allgemein zugänglich zu machen, verfolgt die EU das Ziel die Steuertransparenz zu erhöhen. Erstmals kann die Öffentlichkeit sehen, ob ein Konzern Gewinn macht und wie viele Steuern in der jeweiligen Region auf diesen Gewinn gezahlt werden. Ob das Ziel, Gewinnverlagerungen zu begegnen, erreicht wird, wird sich zeigen. Auf der ein oder anderen Aktionärsversammlung könnten unangenehme Fragen auf die Geschäftsleitung zukommen.
98 Gegenstimmen
Der Entwurf steht mit 534 Stimmen auf einer breiten Basis. Es gab 98 Gegenstimmen und 62 Enthaltungen. Dazu meinte Evelyn Regner (S&D, Belgien): „Wenn wir auf die Pflicht zur länderspezifischen Berichterstattung verzichten, werden wir das System von Briefkastenfirmen, das zur Gewinnverschiebung und Steuervermeidung weltweit missbraucht wird, nie offenlegen. Wir sind jetzt bereit für unsere Verhandlungen mit dem Rat, um ein gemeinsames System zur länderspezifischen Berichterstattung auszuhandeln. Die EU muss im Kampf gegen die Steuervermeidung die Führung übernehmen.“