Die Indizes an den internationalen Börsen erreichen immer neue Höchststände und ein Ende der Hausse scheint nicht absehbar. Die Stimmen, dass sich eine riesige Blase an den Märkten bildet, werden lauter. Betrachtet man die Wirtschaftsdaten der zugehörigen Wirtschafträume genauer, muss vielleicht tatsächlich die Frage gestellt werden, ob dieser Aufwärtstrend nicht doch ein abruptes Ende finden könnte.
Wirtschaftsdaten sprechen eine andere Sprache
Natürlich spiegelt der Aktienwert den Wert des jeweiligen Unternehmens wieder, und den des gesamten Wirtschaftsraumes, in dem das Unternehmen ansässig ist. Aber zwischen dem Wachstum der allgemeinen Wirtschaft und dem der einzelner Unternehmen besteht in der Regel eine nicht zu vernachlässigende Korrelation. Ein eingehender Blick auf die Daten der Mitgliedsstaaten der Eurozone zeigt, dass sich die Wirtschaft des europäischen Schwergewichts Deutschland auf einem durchaus guten Kurs befindet. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf dem tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung, die Industrieproduktion verzeichnet ein relativ stabiles Wachstum, wenn auch nicht auf hohem Niveau, und die Stimmung der Wirtschaft verbessert sich von Monat zu Monat.
Betrachtet man Deutschland einzeln, sollte also entsprechend wenig Grund zu Sorge bestehen, dass die Kurse der Aktien der börsennotierten Unternehmen nicht weiter steigen könnten. Dies wäre allerdings viel zu kurz gegriffen. Die deutsche Wirtschaft ist bekanntlich in hohem Maße vom Export abhängig, wobei ein großer Teil der Exporte in die Mitgliedsstaaten der Eurozone und in die USA erfolgt. Alleine der genauere Blick auf die Daten dieser zwei Wirtschaftsräume zeigt, dass die Entwicklung der Aktienkurse sich zumindest in Teilen vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt hat.
US-Wirtschaft gerät ins Stottern
Die Vereinigten Staaten sind für die deutsche Exportwirtschaft der wohl wichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU. Würde dieser Markt einbrechen, hätte dies nicht nur für deutsche Unternehmen schwerwiegende Folgen, auch die deutsche Wirtschaft wäre besonders hart betroffen. Auch wenn der US-Leitindex Dow Jones nicht vermuten lässt, dass der US-Wirtschaft größere Turbulenzen bevorstehen könnten, weisen die Wirtschaftsdaten auf mögliche Probleme hin. Ein wichtiger Indikator für eine wachsende Wirtschaft ist der Arbeitsmarkt. Ein solider Stellenzuwachs lässt sich in der Regel dahingehend deuten, dass die Wirtschaft sich im Wachstum befindet und Impulse aus der Binnenwirtschaft zu erwarten sind.
Diesen Zuwachs an neuen Stellen kann die US-Wirtschaft nun seit geraumer Zeit aufweisen. Bei der Analyse der jeweils monatlich veröffentlichten Zahlen zum US-amerikanischen Arbeitsmarkt fällt aber eines ganz extrem auf: Der überwiegende Anteil der neuen Stellen entfällt auf den schlecht bezahlten Dienstleistungssektor. Von den 147.000 neu geschaffenen Stellen im Mai 2017, entstanden nur rund 16.000 Stellen im produzierenden Gewerbe, während im Dienstleistungssektor rund 131.000 neue Jobs geschaffen wurden. Der Staat hat auf Bundesebene sogar 9.000 Stellen abgebaut. Ein nachhaltiges Ankurbeln der Binnenwirtschaft ist von diesen Arbeitsplätzen eher nicht zu erwarten. Werden die Arbeitsmarktdaten in Zusammenhang mit den harten Wirtschaftsdaten gesetzt, wird sehr schnell deutlich, dass die nun längste Hausse der Geschichte mittlerweile auf tönernen Füßen steht.
Geldpolitik der Zentralbanken stärkt den Optimismus an den Börsen
Einer der wesentlichen Faktoren für den anhaltenden Anstieg an den Börsen, ist in der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken zu suchen. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 sind die Leitzinsen der Zentralbanken auf praktisch 0% gesunken. Der gut gemeinte Gedanke dabei war, dass den Unternehmen und Verbrauchern günstige Finanzierungskosten ermöglicht werden, um auf diesem Weg Investitionen und Konsummausgaben zu steigern. Dies scheiterte zunächst allerdings an der mangelnden Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe. Die EZB nahm dies zum Anlass, den Einlagezins für bei Ihr geparkte Gelder, welche die Banken nicht anderweitig vergeben können oder wollen, bis auf aktuell -0,4% abzusenken.
Die Bereitschaft zur Kreditvergabe konnte mit dem Mittel der Negativzinsen moderat gesteigert werden. Mittlerweile zeigt sich aber, dass die Kreditinstitute einen anderen Weg als die Vergabe von Krediten gefunden haben, um die Kosten der Negativzinsen aufzufangen. Sie geben ihn entweder direkt an Kunden mit hohen Einlagen weiter und belasten Privatkunden mit höheren oder neuen Gebühren.
Die Summe der Investitionen, die ein wirkliches Wachstum schaffen könnten, stagniert aber weiter auf relativ niedrigem Niveau. Stattdessen führt das billige Geld zu immer größeren Investitionen in Anlagewerte, was als wesentlicher Faktor für die aktuellen Höchstwerte der Aktienindizes gesehen werden kann. Hinzu kommt bei vielen Anlegern die Hoffnung, dass die derzeitige Richtung der Kurse dauerhaft beibehalten wird. Dies würde aber voraussetzen, dass die Notenbanken dauerhaft an ihrer aktuellen Geldpolitik festhalten.
Wende in der Zinspolitik wird kommen
Das dies nicht der Fall sein kann und wird, sollte jedem fähigen Kopf in der Wirtschaft eigentlich bewusst sein. Es scheint aber, als würde dieses Risiko komplett ausgeblendet. Reagierten die Märkte in der Vergangenheit teilweise überaus empfindlich auf eine tatsächliche oder angekündigte Zinsanhebung durch die Zentralbanken, scheint dies aktuell nahezu keinen Einfluss auf die Finanzmärkte zu haben.
Nachdem sie in den vergangen Jahren Billionen an US-Dollar in den Markt gepumpt hatte, hat die amerikanische Notenbank Fed die Zinsen in diesem Jahr bereits in mehreren Schritten moderat angehoben. In der Folge erreichte der Dow Jones einen historischen Höchststand von mehr als 21.000 Punkten. Nennenswerte Einbrüche waren nicht zu verzeichnen. Die EZB entschied auf ihrer Sitzung im Mai zwar an dem Zinssatz von 0% festzuhalten, Der EZB Vorsitzende Mario Draghi gab aber zum ersten Mal Signale dahingehend, dass ein Ende des billigen Geldes kommen müsse, ohne sich auf einen Zeitrahmen festzulegen.
Solche Äußerungen hätten in der Vergangenheit zumindest vorübergehend eine Gegenbewegung der Kurse ausgelöst. Diesmal konnte es die Märkte aber nicht beeindrucken und die Jagd nach dem nächsten Allzeithoch ging weiter. Vielleicht reagieren die Märkte im kommenden August, wenn in den USA die Schuldenbremse greift und es zum Government shutdown kommen könnte. Aber selbst wenn dies dann nicht der Fall ist, ist eine ausgedehnte Gegenbewegung an den Märkten zu erwarten – es muss ja nicht unbedingt ein ausgewachsener Crash sein. In jedem Fall ist jeder Investor gut beraten, wenn er die verschiedenen Wirtschaftsdaten intensiv im Auge behält und mit denen vergleicht, die vor größeren Kurseinbrüchen in der Vergangenheit veröffentlicht wurden. Dies könnte ihn vor größeren Verlusten bewahren, wenn die Wende an den Märkten tatsächlich eintritt.