Menschen mit Legasthenie (Störung des Schriftspracherwerbs), Dyspraxie (lebenslange Koordinationsstörung) oder autistischen Störungen besitzen unglaubliche Fähigkeiten im Bereich der Mathematik, Informatik, Gedächtnisleistung und Mustererkennung, um nur einige Beispiele zu nennen. Dennoch ist es selten, dass neurodiverse Menschen von Unternehmen eingestellt werden. Warum ist das so?
Verhaltensweisen vieler neurodiverser Menschen widersprechen den üblichen Vorstellungen
Den üblichen Vorstellungen von einem guten Mitarbeiter, wie beispielsweise Sprachgewandtheit, emotionale Intelligenz, Verkaufsmentalität, stabile Kommunikationsfähigkeit oder die Aufgeschlossenheit gegenüber Social-Media-Netzwerken können autistische Menschen oder Menschen mit Dyspraxien nicht gerecht werden. Außerdem stehen ihnen skalierbare HR-Prozesse gegenüber, in dessen Schemata sie nicht passen. Mit den herkömmlichen Verfahren wie Vorstellungsgespräche sowie diverse Einstellungs- und Aufnahmeverfahren fallen sie durch das Raster und passen damit nicht in das Profil potenzieller Auftraggeber.
Nur in einem bestimmten Umfeld sind sie arbeitsfähig
Wenn sie arbeitsfähig sein wollen und ihre Talente optimal nutzen möchten, benötigen neurodiverse Menschen ein spezielles Umfeld. Zum Beispiel tragen manche von ihnen Kopfhörer, um sich vor akustischer Reizüberflutung zu schützen. Manche haben ein merkwürdiges Verhalten oder gewisse Spleens, die sie nicht so einfach ablegen können. Aber je nach Unternehmensart sind diese Besonderheiten gut zu handhaben. Allerdings benötigen Unternehmen dafür eine breitere Ausrichtung ihrer Auswahlverfahren.
Neurodiversitätsprogramme namhafter Unternehmen
Einige bekannte Unternehmen erleichtern seit geraumer Zeit testweise neurodiversen Menschen den Zugang in ihr Unternehmen, zum Beispiel HPE, SAP, Microsoft, IBM, Dell Technologies sowie Ford und Ernst & Young. Das älteste Neurodiversitätsprogramm läuft bei SAP seit vier Jahren. Laut der Führungskräfte von SAP zahlen sich die Talente aus. Neben dem Imagegewinn konnten sie einen großen Zuwachs von Innovationen, Engagement der Mitarbeiter sowie Qualitäts- und Produktionssteigerungen verzeichnen. Dabei begannen die Manager damit, über die Nutzbarmachung der Talente aller Mitarbeiter nachzudenken und auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen. Damit werden sie gewissermaßen gezwungen, sich mehr mit den einzelnen Mitarbeitern zu beschäftigen und sie näher kennenzulernen. Denn nur so können sie ihre Stärken gezielt einsetzen.
Anpassung der Arbeitsumgebung kostet meist nicht viel
Auch wenn neurodiverse Menschen eine gewisse Freiheit benötigen, um von etablierten Pfaden abweichen zu dürfen, so sind Anpassungen des Arbeitsumfeldes und seine individuelle Gestaltung gar nicht so teuer oder aufwendig. Oft reichen auch schon Noise-Cancelling-Kopfhörer und ein anderes Licht aus. Sie verlangen allerdings von Führungskräften und Mitarbeitern eine höhere Toleranz.
Wie sehen Sie das Thema? Haben Sie schon neurodiverse Menschen eingestellt? Wie sind Ihre Erfahrungen mit ihnen als Mitarbeiter im Team?
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Quellen
HBM 10/2017, S. 50 ff